18. Juni 2016

ARD, ZDF und die Europameisterschaft. Ein Lob.

Dass die Glaubwürdigkeit der Medien sinkt ist kein Grund zur Schadenfreude. Vielmehr verstärkt es das Bauchgefühl, in einer krisenhaften Epoche zu leben, in der die wichtigsten Institutionen immer weniger im Griff haben.
Gerade die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten provozieren durch eine oft selbstgerechte Haltung, die sich auf den Wettbewerbsvorteil der Haushaltsabgabe stützt. Diese ist als Nachfolger der lustigen GEZ-Spione eine Steuer, die Wohnungsbewohner zwingt, Öffentlich-Rechtliche Medien zu konsumieren. Wer sich jetzt denkt „das gibt es doch nur in Weißrussland“, der sei auf den WDR-Chefredakteur Jörg Schöneborn verwiesen, der die Steuern als „Demokratie-Abgabe“ bezeichnet. Ich halte es hier eher mit der Kanzlerin und beklage unsere „Zwangsmitgliedschaft“ (min 3:20).

Vielleicht ist die Enttäuschung ja dann besonders groß, wenn uns die Öffentlich-Rechtlichen demonstrieren, dass auch sie ihren Auftrag der medialen „Grundversorgung“ nur mit Mängeln ausführen können. Sei es bei gefährlichen Versäumnissen in der Wettervorhersage – „Das Unwetter und die Medien“ in diesem Blog. Sei es bei bornierter Schnitttechnik, die leider kein Einzelfall sondern ein Durchläufer ist. Oder sei es bei der Berichterstattung über die Kölner Sylvesterübergriffe, deren Selbstzensur Wasser auf die Mühlen der „Lügenpresse“-Gewinnler war. Wenn sie uns zeigen, dass es auch hier menschelt, auch hier Seilschaften aus Lobbyisten und Politikern agieren und dass auch hier gepfuscht wird, ist der Sturz besonders hoch. Gerade von Euch hätten wir mehr erwartet! Allerdings: In einer nach Perfektionismus strebenden Positivgesellschaft (Philosoph Byung-Chul Han) sind Enttäuschungen zwangsläufig und chronisch. Warum soll es Euch da besser gehen als uns allen?
Umso schöner, dass ARD und ZDF während der seltsamen Europameisterschaft so etwas wie Zivilcourage entwickeln und gegen die Bildregie der UEFA Einspruch erheben. Schon die FIFA blendete in Brasilien jedes Handgemenge zwischen Spielern und jeden Flitzer aus. Jetzt scheint alles noch besser organisiert. Nachdem die Fans mehrere Reihen schwer bewaffneter Polizisten durchquert haben, sollen sie sich mit personalisierten Karten friedlich schweigend ins Stadion setzen(!) bis der Stadion-DJ genug David Guetta aufgelegt hat. Dann darf man politisch korrekte Inhalte singen. Oder sie finden sich zur friedlichen Umarmung unter den Bannern der Sponsoren Coca Cola und McDonald´s auf der ebenfalls von Schwerbewaffneten umzingelten "Fanzone" ein. Dort sollen sie in ihre Selfie-Stick-Kameras grinsen, um dann ihre Biometrie für Google, Facebook, NSA, BND und die 200 besten Freunde hochzuladen. Fürs Rauchen gibt es Quadrate und fürs Bier Pappbecher. Dass trotz dieser brave-new-Fußballwelt Leuchtraketen in beinahe jedes Spiel geschmuggelt werden können, Deutsche mit Reichskriegsflaggen posieren, Engländer bettelnde Kinder demütigen und Russen prügelnd durch Westeuropa ziehen ist leider Realität. Eine Realität vor der sich die UEFA durch live-Zensur schützen möchte. Dagegen haben die Öffentlich-Rechtlichen Einspruch eingelegt. Danke. Vielleicht hat man aus Köln gelernt. In der transparenten Welt des „Streisand-Effekts“ bleibt ohnehin nichts lange verborgen. Deshalb gilt: Nehmt den Populisten den Wind aus den Segeln!
Dass jetzt neben den Spielen so viele verstörende Bilder zu sehen sind, verstärkt dafür leider wieder das Bauchgefühl, in einer krisenhaften Epoche zu leben.

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