2. Juni 2016

Zur Armenienresolution

Der britische Abenteurer T. E. Lawrence verarbeitete 1919-1926 seine Erlebnisse im Orient in "Die sieben Säulen der Weisheit". Aus diesem Werk der Weltliteratur stammt der bis heute bekannteste Text über das Schicksal der Armenier: "Die Männer hatte man hingerichtet. Die Frauen und Kinder mitten im Winter nackt und hungrig in die Wüste hinaus getrieben. Jedem Vorüberkommenden zur Beute - bis der Tod sie erlöste. Die Jungtürken hatten die Armenier vernichtet." Dass es Völkermord war, ist nicht nur hierzulande Common Sense. Also gibt es wohl an der Tat der „Jungtürken“ keine Zweifel. Das Deutsche Kaiserreich war mit ihnen verbündet und sah gerne weg – brauchte man die Türken doch als einen der letzten Verbündeten im Ersten Weltkrieg. Wer aber hat unsere Parlamentarier zu Historikern gemacht? Ein Urteil ist Aufgabe der Historiker, nicht die unserer Parlamentarier. Eine Verurteilung wäre Aufgabe eines Gerichtshofes, nicht die unserer Parlamentarier. Diese haben die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenlebens zu gestalten und zu bewahren.
Sie haben der Justiz nicht zu gewähren, Strafanträgen beleidigter Regierungschefs nachzugeben. Sie haben dem lange bekannten Urteil der Historiker, keinen Segen zu erteilen. Sie haben nicht den Weitblick, die Auswirkung ihrer moralischen Erhebung auf gegenwärtige Konflikte abzuschätzen. Und wozu? Die Menschen, die es interessiert, wissen um den Völkermord. Die es nicht interessiert, wird es jetzt auch nicht mehr angehen. Obschon Lawrences Werk zum Großteil aus der blühenden Phantasie des Autors bestand und er als gegen die Türken kämpfender Engländer alles andere als eine saubere historische Quelle ist, wird seine Schilderung der Ereignisse mehr Menschen berührt haben, als die Resolution unserer Politiker. Vielleicht wird es den Armeniern etwas mehr Frieden geben und hoffentlich keine Inspiration, die Resolution zu instrumentalisieren. Und die Türken wird es nur stärker in eine Verteidigungsmentalität treiben. Denn so groß ist unsere moralische Autorität nicht. Auch wenn unsere Politiker nicht die ersten in der Welt sind, die den Völkermord benennen, drängt sich den Türken wohl beinahe 1000 Jahre nachdem John of Salisbury sie das erste mal formulierte, erneut die Frage auf: :“Wer hat die Deutschen zu Richtern über die Völker bestellt?“ Auch wenn es nach übereinstimmender Aussage der Abgeordneten so nicht gemeint war. So wird es verstanden werden. Denn wenn uns die Kommunikation eines lehrt, dann dass die Bedeutung unserer Worte erst im Kopf ihrer Empfänger entsteht.

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