5. Februar 2017

German Angst

Unsere Massenmedien – v.a. Spiegel und Zeit – ergehen sich in Anti-Trump Artikeln. Der ist sicherlich kein so angenehmer Zeitgenosse wie Obama, aber deutlich angenehmer als die Killertruppe ehemaliger Kleinkrimineller des Daesh. Darauf zielt aber nach eigener Aussage das Cover des Spiegel 6/2017 ab. Trump köpft im Blutrausch die Freiheitsstaue. Denn sowohl Daesh wie auch Trump sind „Extremisten“, so der Künstler Edel Rodriguez. Das reicht unseren Qualitätsmedien also, um völlig aus dem Rahmen zu fallen. Damit spielt man aber dummerweise in einer Liga mit Donald Trump. Bei dem gehören Unbeherrschtheit, Maßlosigkeit und „Aus-dem-Rahmen-Fallen“ zum Kalkül. Das ist sein trauriges Alleinstellungsmerkmal. Dass v.a. Spiegel und Zeit mit zum Weltuntergang hochdramatisierten Artikeln - also mit Maßlosigkeit - dagegenhalten, ist unerklärlich. Schließlich haben wir eine solide journalistische Ausbildung in Deutschland. Eine der Grundregeln: Trenne Kommentar von Information! Als Medienexperte muss ich mir auch selbst Gedanken machen.

Deshalb ein kurzer Ausflug ins Feld jenseits der Political Correctness und mitten hinein in die eigene empirische Erfahrung: Am vergangenen Samstag saß ich im privaten Umfeld mit Muslimen beim Tee zusammen. Säkular, sunnitisch, mehrheitlich naher Osten. Hier traf ich auf ein Argument zu Trump, welches mir auch bei Afrikanern bereits häufiger begegnete: „Wir finden den eigentlich in Ordnung. Obama, Clinton, Merkel sind ebenfalls schlechte Menschen, die unsere Länder ausbeuten. So wie Trump – aber bei dem wissen wenigstens alle, woran sie sind.“ Also gut. Aber – so meine Entgegnung - Obama und vor allem Merkel hätten niemals so ein rechtswidriges und gegen jede Versöhnung gerichtetes Einreiseverbot erlassen. Darauf ein alter Libanese: „Das Einreiseverbot ist in Ordnung. Wenn ich Präsident wäre, würde ich mir auch jeden Moslem genau aussuchen, der in mein Land darf.“ Ich bin nach wie vor gegen ein Einreisstopp, vor allem gegen ein so „schlecht gemachtes“ (Arnold Schwarzenegger). Aber wenn viele Afrikaner und Araber offensichtlich relativ gelassen mit dem zügellosen Newcomer umgehen – weshalb herrscht bei unseren Medien bereits nach zwei Wochen Weltuntergang?
Viele US-Medien befinden sich im Kriegszustand mit einem Präsidenten, der via Twitter Pressekonferenzen umgeht und Lügen als „alternative Fakten“ bezeichnet. Deshalb hat man dort auch das Cover erfunden, von dem der Spiegel abkupferte. Wäre ich US-Journalist, wäre ich sicherlich ebenfalls atemlos vor Wut. In Deutschland herrscht aber noch etwas anderes. Hier erleben wir eine neue Ausgabe der „German Angst“. Sie ist vor allem ein Nachkriegsphänomen. Ein Gemütszustand, der die Zukunft nicht mehr prognostiziert, sondern als bereits besiegelt ansieht. Und das in ihrer katastrophalsten Variante. Dementsprechend sind die USA bereits eine Diktatur, die Weltwirtschaft im Protektionismus versunken und die Kriegserklärungen der Amerikaner an den Iran und an China bereits unterschrieben. Diese Philosophie tendiert allerdings zur Kapitulation – man kann ja ohnehin nichts dagegen machen. Denn „Angst“ ist im Gegensatz zu „Furcht“ nicht zielgerichtet – sie ist ein fatalistischer Gemütszustand. Wir „fürchten uns" vor etwas Bestimmtem und „ängstigen uns“ allgemein. Zugleich ist sie wie eine Beschwörungsformel: Wenn man das Schlimmste annimmt, kann einem die Zukunft ja nur noch positiv überraschen. Das trifft zusammen mit einer Verklärung der – bis vor ganz Kurzem – noch heftig kritisierten Vergangenheit. Gestern endete die Weltwirtschaft in Globalisierung, heute eben in Protektionismus. Vorgestern war Präsident Reagan für den Spiegel ein Mann, der die Russen aus dem Weltall angriff, mittlerweile ein Mann der Entspannungspolitik. Gestern war für den Spiegel Präsident Bush ein Kriegstreiber und schlechtester US-Präsident aller Zeiten. Heute wird er von beinahe allen deutschen Medien dafür gelobt, dass er nach dem 11. September eine Moschee besuchte. Ein Mann, dessen „Krieg gegen den Terror“ über 1,3 Million Tote forderte (Bundeswehr-Journal März 2015), ist also jetzt ein Freund der Muslime, Trump aber deren rassistischer Feind?
Was ist die Folge solch medialer Maßlosigkeiten? Wenn Trump bereits jetzt schlimmer ist als Bush, der mit Hilfe von Lügen einen Krieg anzettelte - wie will man das noch steigern, wenn es wirklich schlimm wird? Shifting Baselines - Menschen stumpfen schnell ab, Extreme müssen immer weiter gesteigert werden, damit sie noch als extrem empfunden werden. Unmöglich, wenn man schon mit Superlativen einsteigt.
Auch wird die Kritik an solch niveaulosem Journalismus nicht nachlassen. In der „Oberbadischen Zeitung“ hatte ich für Vertrauen in die Medien plädiert. Ab jetzt können sich Journalisten in Momenten der Wut das neue Spiegel-Cover gegen Trump oder die alten Spiegel-Cover gegen Putin ansehen. Dort sehen sie a) warum ihre Glaubwürdigkeit sinkt und b) warum Autokraten wie Trump und Putin Erfolg haben. Zum „Spiegel“ und zu Putin mein Beitrag in „Ostexperte“.
Und wenn wir schon dabei sind: Trump wird im Spiegel als „Nero“ bezeichnet. Der römische Kaiser (54-68 n. Chr.) gilt spätestens seit Peter Ustinovs grandios-boshafter Darstellung in „Quo Vadis“ (1951) als Inbegriff des selbstgerechten, dummen und grausamen Diktators. Allerdings weiß jeder Hobbyhistoriker, dass dieses Bild mittlerweile stark angezweifelt wird. Stammen alle ihm zugrunde liegenden Quellen doch von Autoren, die dem Anti-Nero-Lager angehörten. Das Image Neros beruht also auf antiker Propaganda. Das wüsste Peter Ustinov, würde er heute noch leben. Der jeglichem intellektuellen Rückhalt mittlerweile abschwörende Spiegel offensichtlich nicht. Oder aber Chefredakteur Brinkbäumer dachte: „Propagandistisch-tendenziöse Quellen? –Passt. Nehmen wir.“

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