13. Juli 2017

Der G20-Gipfel und die Hysterie im Netz

Der G20-Gipfel vom Wochenende zeigte exemplarisch wie nie, wie Facebook, Twitter und Co. bei Berichterstattung funktionieren. Nämlich gar nicht. Es ist reine Hysterie. Über Twitter die aktuelle Protest-Lage beurteilen? Fast unmöglich. Der Stream der pointierten Sätze und scheinbar ikonischen Bilder reisst alles mit. Es ist ein System der Aufregung, es basiert auf Kicks  (was übrigens mit den Ausschreitungen korrespondiert) und die lautesten Stimmen gewinnen.
Eigenltich sollte man an solchen Tagen das Internet abschalten. Aber auch hier gilt Hegels Satz vom unglücklichen Bewusstsein: Wendet man sich von der Welt ab, wird man weltvergessen, wendet man sich der Welt zu, vergisst man sich selbst. Letzteres trifft wohl auf die Meisten zu.

Die einen sehen Deutschland auf dem Weg in den Polizeistaat, andere den Linksterrorismus auf dem Vormarsch, manche denken, dass System ist komplett kaputt. Und die, die sich abwenden, überlassen das Posten einer lauten Minderheit von Internetaffinen, Selbstdarstellern, Medienprofis oder einfach nur Menschen mit Sendungsbewusstsein. Und das liefert übrigens auch die Erklärung für Filterblasen: Genauso wie jetzt am Wochenende werden die Rahmenbedingungen gesteckt. Zwischentöne? Mau.
Natürlich, G20 und die Kritik an Politik- und Wirtschaftseliten polarisieren die Gesellschaft. Das ist kein neues Phänomen, sondern in dieser Form etwa 20 Jahre alt. Doch wie sollen in solch einer Hysterie die Gräben wieder kleiner werden?
Kurze Auszüge. Ein Tweet, abgegeben am Samstag früh, nach dem ersten Vorgehen der Polizei gegen den "schwarzen Block", lautete sinngemäß: „Eine ganze Generation wird gerade radikalisiert“ - Solche Tweets sind Öl im Feuer der Hysterie. Wahrscheinlich zitterte die Hand beim Schreiben.
Repräsentativ auch das Bild der jungen Frau, die auf einen Räumpanzer stieg und dann von der Polizei mit Pfefferspray besprüht wurde: Bento, die Spiegel Online Publikation für „junge Leute“, rief sie als Heldin aus. Und das nur aufgrund des Bildes. Was sie wirklich da oben wollte, steht wahrscheinlich schon irgendwo,  aber es ist egal. Vereinnahmt ist das Bild bereits.
Egal, welche Position wir vertreten, wir rennen emotionalisiert den Ereignissen hinterher. Wie wenig wir dagegen noch agieren! Die Auswirkungen dieser Treibjagd sind Stress, Frust, Angst beim Einzelnen, und immense Schäden in der öffentlichen Debatte.
Ein Ingenieur, der das Iphone mit erfand, erzählte neulich der Presse, das Smartphone sei eine Erfindung von ungebundenen, jungen Männern gewesen, die keine Verantwortung kannten. Das Gleiche könnte man von Facebook sagen. All diese Netzwerke sind völlig ungeeignet für irgendeine Art von Debattenkultur. Dabei bräuchten wir entschleunigte Nachdenklichkeit dringender denn je.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen